Die Arbeitsmedizin ist als medizinische Fachdisziplin vorwiegend präventiv orientiert und interdisziplinär ausgerichtet – eine Besonderheit im Medizinstudium. Studierende der Humanmedizin müssen Leistungsnachweise in insgesamt 21 Fachgebieten (Pflichtfächern) erbringen. Laut der Approbationsordnung für Ärzte zählen Arbeitsmedizin und Sozialmedizin zu den Hauptfächern des Studiums. Sie stellen so genannte Schnittstellenfächer dar, die Berührungspunkte zu fast allen medizinischen Disziplinen haben. Darüber hinaus bestehen themenbezogene Berührungspunkte zu den Ingenieurwissenschaften, den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften.
Bereits während des ersten Semesters werden meist die Berufsfelder in den präventivmedizinisch orientierten Fächern Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, Hygiene, Sportmedizin, Reisemedizin oder „Public Health“ vorgestellt. Die Studierenden lernen grundlegende Informationen zur Verhältnis- und Verhaltensprävention sowie verschiedene Präventionssettings und Beispiele für Aspekte der Prävention im praktischen ärztlichen Alltag. Eine gute Möglichkeit, das Berufsfeld der Arbeitsmedizin auch praktisch kennenzulernen, ist die Famulatur: Von den im klinischen Teil des Medizinischen Studiums vorgeschriebenen 4 Monaten Praktikum kann 1 Monat im arbeitsmedizinischen Dienst geleistet werden, beispielsweise in einer werksärztlichen Dienststelle.
Möglich ist auch die Promotion im Fach Arbeitsmedizin. Nachstehend finden Sie eine Liste der Hochschulen in Deutschland mit arbeitsmedizinischen Instituten.
Die DGAUM hat gemeinsam mit arbeitsmedizinischen Hochschullehrern einen Themen- und Lernzielkatalog für die Arbeitsmedizin und klinische Umweltmedizin erarbeitet. Im Schwerpunktkatalog sind die Inhalte nach verschiedenen Themen stichwortartig gegliedert. Der Lernzielkatalog enthält eine differenzierte Darstellung der Bedeutung arbeitsmedizinischer Kenntnisse. Er soll den Rahmen des zu vermittelnden arbeitsmedizinischen Wissens vorgeben und als Grundlage für die Lehrveranstaltungen an den Fakultäten dienen.
Der Themenkatalog Arbeitsmedizin wurde gemeinsam vom Vorstand der DGAUM und den Ordinarien für Arbeitsmedizin erarbeitet. Er berücksichtigt neben den unverändert wichtigen Schwerpunkten auch die Entwicklungen im Fachgebiet Arbeitsmedizin und dient als Grundlage für den Gegenstandskatalog des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP).
1. | Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für die ärztliche Tätigkeit |
1.1. | Einführung in die AM |
1.2. | Arbeits- und Gesundheitsschutz in der BRD |
1.3. | Betriebsärztliche Tätigkeit Arbeitssicherheitsgesetz (ASIG), Aufgaben, Stellung, Strukturen, Qualitätssicherung |
1.4. | Medizinische Untersuchungen von AN zur Prävention Vorsorge, Einstellungen: Formen, Verantwortlichkeiten, Vorschriften, Ergebnis |
1.5. | Haftung für arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, |
1.6. | Grundsätze und Konzepte der AM |
1.7. | Hierarchie und Grundprinzipien der präventiven |
2. | Physische Belastung und Beanspruchung in der Arbeit |
2.1. | Gefährdungsmechanismen |
2.2. | Beanspruchungsobjektivierung |
2.3. | Grundlagen der Ergonomie und andere Methoden der Prävention |
2.4. | Arbeitsbedingte Erkrankungen durch physische Fehlbelastungen einschließlich der gesetzlichen Berufskrankheiten der Wirbelsäule, Menisken, Sehnenscheiden ... |
3. | Psychische Belastung und Beanspruchung |
3.1. | Gefährdungsmechanismen einschließlich sozialer Stressoren wie Mobbing, Stress, Ermüdung, Monotonie, psychische Sättigung |
3.2. | Beanspruchungsobjektivierung und Belastungsanalyse |
3.3. | Spezielle Erkrankungen wie Burnout, chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS), psychosomatische Störungen und Erkrankungen |
4. | Belastung und Beanspruchung durch physikalische Einwirkungen |
4.1. | Vibrationen |
4.2. | Lärm |
4.3. | Klima |
5. | Belastung und Beanspruchung durch chemische Einwirkungen |
5.1. | Grundlagen der Toxikologie |
5.2. | Arbeitsmedizinisch relevante Beurteilungskriterien/Grenzwerte einschließlich Luft- und Bio-Monitoring |
5.3. | Grundlagen der speziellen Prävention, u. a. Chemikaliengesetz (ChemG), Gefahrstoffverordnung, TRGS |
5.4. | Arbeitsbedingte Erkrankungen und gesetzliche Berufskrankheiten durch
|
6. | Arbeitsbedingte Erkrankungen und gesetzliche Berufskrankheiten der Atemwege, Lunge und Pleura |
6.1. | Pathophysiologische Mechanismen |
6.2. | Staub, Einflussfaktoren auf die Wirkung |
6.3. | Grundprinzipien der Prävention |
6.4. | Gesetzliche Berufskrankheiten durch anorganische Stäube |
6.5. | Obstruktive Atemwegserkrankungen als gesetzliche Berufskrankheiten |
6.6. | Gesetzliche Berufskrankheiten durch organische Stäube |
7. | Arbeitsbedingte Erkrankungen und gesetzliche Berufskrankheiten der Haut |
7.1. | Gefährdungsmechanismen und betroffene Berufsgruppen |
7.2. | Entzündliche und allergische Erkrankungen einschließlich der gesetzlichen Berufskrankheiten |
7.3. | Spezielle Prävention |
8. | Arbeitsbedingte Infektions- und Tropenkrankheiten einschließlich der gesetzlichen Berufskrankheiten |
8.1. | Gefährdungsquellen und betroffene Berufsgruppen |
8.2. | Arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich der gesetzlichen Berufskrankheiten |
8.3. | Spezielle Prävention einschließlich Infektionsschutzgesetz und Biostoffverordnung |
9. | Krebserkrankungen als gesetzliche Berufskrankheiten |
9.1. | Einordnung, Ursachen, Mechanismen |
9.2. | Arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich der gesetzlichen Berufskrebserkrankungen |
9.3. | Spezielle Prävention |
10. | Der chronisch Kranke im Beruf und Grundlagen der Rehabilitation |
10.1. | Ausgewählte chronische Krankheitsgruppen und Bewertung ihrer Arbeitsfähigkeit |
10.2. | Suchtprobleme am Arbeitsplatz |
10.3. | System der beruflichen Rehabilitation |
11. | Sozialer Arbeitsschutz |
11.1. | Arbeitstätigkeit der Frau - Mutterschutzgesetz (MuSchG) |
11.2. | Arbeitstätigkeit von Jugendlichen - Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG) |
11.3. | Der ältere und leistungsgeminderte Arbeitnehmer |
11.4. | Arbeitszeit einschließlich Nacht- und Schichtarbeit/gesetzliche Grundlagen |
12. | Grundlagen der arbeitsmedizinischen Begutachtung |
12.1. | Auftraggeber und Aufgabenstellungen |
12.2. | Grundprinzipien der Begutachtung |
12.3. | Kausalität und Finalität als Ordnungsprinzipien |
Den Lehrenden soll der Lernzielkatalog als Orientierung im Fach Arbeitsmedizin dienen. Dabei können eigene Schwerpunkte und Gewichtungen gesetzt werden die auch über die Lernziele hinaus gehen. Der Lernzielkatalog stellt das Rahmenprogramm dar, das als Grundlage für die Prüfung an allen Hochschulen dienen sollte. Er beschreibt die zum Abschluss des Medizinstudiums (Ärztliche Prüfung) erforderlichen ärztlichen Kompetenzen (Wissen, Fertigkeiten und Haltung) im Fach Arbeitsmedizin. Dadurch wird selbstverantwortliches Lernen möglich. Die Absolventen müssen fähig sein, sich selbständig über Themen zu informieren, die im Unterricht nicht oder nur allgemein behandelt wurden oder wenn sie in der Praxis genauere oder vertiefte Kenntnisse benötigen. Die Struktur des Katalogs ist angelehnt an die niederländische Fassung zu Lernzielkatalogen in der Medizin, die aus der Schweiz in englischer Fassung vorliegt. Diese Lernzielkataloge sind ausschließlich für klinische Fachgebiete gestaltet worden. Für die Arbeitsmedizin als vorwiegend präventivmedizinische Disziplin mit deutlichen klinischen Anteilen in der Lehrvermittlung ist diese Strukturierung nur teilweise handhabbar. Die Grundstruktur wird jedoch im Folgenden beibehalten, damit den Vorgaben der jeweiligen Fakultät entsprechend eine Anpassung erfolgen kann. Der Lernzielkatalog wurde in Anlehnung an den Swiss Catalogue of learning objectives for Undergraduate medical training erstellt.
Arbeitsmedizinische Basiskenntnisse (Tabelle 5)
Arbeitsmedizinisch relevante Fertigkeiten (Tabelle 6)
Arbeitsmedizinisch relevante Krankheitsbilder (Tabelle 7)
Zu den Lernzielen „arbeitsmedizinische Basiskenntnisse“ und „arbeitsmedizinisch relevante Krankheitsbilder“ wird angegeben, welche Kompetenzen aus dem ärztlichen Handlungsprozess gefordert werden. Abgekürzt werden diese wie in Tabelle 1 aufgeführt.
D - Diagnostische Kompetenz
T - Therapeutische Kompetenz
N - Notfallmaßnahmen
P - Prävention inkl. Kompetenz der Gesundheitsförderung
G - Generelle Kompetenz für Allgemeinmedizin
Entsprechend den genannten Kriterien werden die Kompetenzen nochmals in die in Tabelle 2 aufgeführten Niveaustufen unterschieden.
1. Erkennen und einordnen können
2. In der Praxis mit dem Problem umgehen können
Die arbeitsmedizinischen Fertigkeiten (Tabelle 6) werden in vier Stufen (Tabelle 3) unterschieden, wobei Stufe I noch keine eigentliche Fertigkeit darstellt, sondern nur das Wissen dazu. Zur Unterscheidung der Niveaustufen werden hier römische Zahlen verwendet.
Stufe I - Theorie: Die Studierenden haben mindestens theoretische Kenntnisse (kausalanalytisches Prinzip, Indikation, Kontraindikation, theoretische Kenntnis des Handelns, mögliche Komplikationen, Möglichkeiten der primär, sekundär und tertiär Prävention sowie der Rehabilitation) und können die Fertigkeit beschreiben.
Stufe II - Beobachtung: Die Studierenden haben mindestens die Kenntnis der Fertigkeit und haben deren Demonstration beobachtet.
Stufe III - Ausführung: Die Studierenden haben mindestens die Fertigkeit mehrmals unter Aufsicht selbst ausgeführt.
Stufe IV - Routine: Die Studierenden haben Erfahrung in Indikationsstellung und Ausführung.
Die Lerninhalte, die unmittelbare Beziehung zu einem Querschnittsbereich (Tabelle 4) haben, werden mit einem Q und der Ziffer des entsprechenden Querschnittbereiches gekennzeichnet (z.B. Q12).
Q1 Epidemiologie
Q2 Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin
Q3 Gesundheitsökonomie, Gesundheitssysteme, öffentliche Gesundheitspflege
Q4 Infektiologie, Immunologie
Q5 Klinisch-pathologische Konferenz
Q6 Klinische Umweltmedizin
Q7 Medizin des Alterns und des alten Menschen
Q8 Notfallmedizin
Q9 Klinische Pharmakologie
Q10 Prävention, Gesundheitsförderung
Q11 Bildgebende Verfahren, Strahlenbehandlung, Strahlenschutz
Q12 Rehabilitation, physikalische Medizin, Naturheilverfahren
(1) Bundesgesetzblatt. Jg. 2002 Teil I Nr. 44, S. 2405-2435, 3. Juli 2002
(2) Schäcke, G.: Approbationsordnung für Ärzte - Bedeutung und Pflichten für das Fachgebiet Arbeitsmedizin. Zbl Arbeitsmed 52 (2002) 414-425
(3) Schiele, R.: Was bringt die neue Approbationsordnung für die Fächer Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin? Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 38 (2003) 5
"Klinische Umweltmedizin" ist einer von 12 Querschnittsbereichen nach der Approbationsordnung für Ärzte (BGBl. Teil I Nr. 44, S. 2405). Für jeden dieser Bereiche sind von den Studierenden benotete Leistungsnachweise zu erbringen, um für den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung zugelassen zu werden. Die Approbationsordnung stellt es den Universitäten frei, auf welche Weise das Wissen der Querschnittsbereiche vermittelt wird, lediglich soll die "Vermittlung ... themenbezogen, am Gegenstand ausgerichtet und fächerverbindend erfolgen" (§ 27 AppOÄ). Dieser Handlungsspielraum erfordert jedoch eine Definition von Lehrinhalten und Lernzielen, um zwischen den Universitäten vergleichbare Abschlüsse zu erzielen. Als Methode zur Vermittlung des themenbezogenen und fächerverbindenden Fachwissens kommen neben den konventionellen Lehrmethoden speziell reformorientierte Studienmethoden wie problemorientiertes Lernen in Kleingruppen (POL) und evtl. individuelles, computerunterstütztes, fallbasiertes Lernen (z. B. CASUS, Networm) in Frage. Ein nicht einheitlich zu klärendes Problem ist die zeitliche Anordnung des Querschnittsbereiches "Klinische Umweltmedizin" im Studium und damit das vorauszusetzende klinische Vorwissen der Studierenden.
In Anlehnung an den Lernzielkatalog für Arbeitsmedizin soll den Lehrenden eine Orientierungshilfe im Fach Klinische Umweltmedizin gegeben werden. Es können eigene Schwerpunkte und Gewichtungen gesetzt werden, die über die Lernziele hinausgehen. Der Katalog stellt das Rahmenprogramm dar, das als Grundlage für die Prüfung an allen Hochschulen dienen soll. Der Lernzielkatalog beschreibt die zum Abschluss des Medizinstudiums erforderlichen ärztlichen Kompetenzen im Fach Klinische Umweltmedizin. Dadurch wird selbstverantwortliches Lernen ermöglicht.
1. Grundkenntnisse in der klinischen Umweltmedizin
2. Klinisch relevante Fertigkeiten
3. In der klinischen Umweltmedizin relevante Krankheitsbilder
Unterschieden werden drei Ebenen der ärztlichen Kompetenz, die Studierende während ihres Studiums erlangen sollen:
D - Diagnostische Kompetenz: Fähigkeit zur Berücksichtigung von Fakten bei der Diagnosestellung, Differentialdiagnose
T - Therapeutische Kompetenz: wissensbasierte Entscheidungsgrundlage für die Therapie und kritische Verlaufsbeurteilung
A - Generelle Kompetenz für Allgemeinmedizin
Diese Kompetenzen werden auf verschiedenen Niveaustufen vermittelt, wobei das Niveau II mit Spezialwissen in den meisten Fällen nur an einzelnen Beispielen und schwerpunktartig vermittelt werden kann.
Da insbesondere in den Querschnittsfächern die Möglichkeit besteht, dass sich die Studierenden Detailwissen und praktische Fertigkeiten durch problemorientiertes Arbeiten in Kleingruppen oder computerbasierten Fällen aneignen, können insbesondere Fertigkeiten der Niveaustufe II optimalerweise durch diese Lernformen vertieft und praktisch eingeübt werden, sofern nicht die Teilnahme an Ambulanzpraktika möglich ist oder der klinische Ausbildungsstand der Studierenden einer solchen Maßnahme entgegensteht.
Daher findet sich im Lernzielkatalog eine zusätzliche Spalte mit Anregungen, ob sich ein Thema für die Vermittlung im problemorientierten Lernen (P, z. B. als Element eines Falles) oder über eine Vorlesung (V) anbietet.Teilweise erscheinen beide Vermittlungsarten gleichwertig (V+P), bei anderen sollten die Grundlagen in einer Vorlesung vermittelt werden und Details schwerpunktartig im POL vertieft werden (V(P)).
Selbstverständlich können alle Fertigkeiten auch im POL vermittelt werden, dies ist jedoch stark vom individuell zu behandelnden Fall/Problem abhängig.
Für die Vermittlung von Fachwissen in einem Querschnittsbereich kommen meist verschiedene Fachdisziplinen und Vermittlungsmethoden in Frage, die nachfolgend wie angegeben kodiert werden. Die Kodierung kann selbstverständlich nur Anhaltspunkte geben, um z. B. eine Referentenstruktur für eine curriculare Vorlesung zusammenzustellen.
Betriebsarzt Dr. Tobias Rethage liefert überzeugende Gründe für die Arbeitsmedizin. Hier geht's zur Broschüre...